Eine wichtige Rolle bei jeder Jacht spielt die Lackierung. Diese erfolgt in einer speziellen Lackieranlage von WOLF.
Ginge es darum, die schönstgelegene Lackieranlage zu küren, die Großraumkabine bei Martin Yachten wäre ein heißer Favorit. Schon die Adresse, Strandbadstraße 25, regt die Fantasie an. Direkt am Yachthafen von Radolfzell am Bodensee verfügt der seit 1932 bestehende Bootsbaubetrieb über ein beeindruckendes Ensemble von Lager- und Werkhallen.
Glanzstück und neueste Errungenschaft ist eine Großraum-Lackierkabine von Wolf. Aber die schöne Lage hat nicht nur Vorteile: „Die Lackierkabine bei Martin Yachten ist unser bisher erstes Projekt mit Hochwasserschutz“, erklärt Jürgen Sterzik, Vertriebsleiter Lackieranlagen bei Wolf: „Wegen der Hochwassergefahr direkt am Bodensee haben wir die Betonwanne der Kabine um 60 Zentimeter erhöht. Auch die Filterflächen beginnen, damit kein Wasser eindringen kann, erst ab dieser Höhe.
Ansonsten handelt es sich bei der Anlage um eine ganz normale Großraumkabine, wie wir sie auch für Nutzfahrzeuge bauen.“ „Normal“ – das heißt in diesem Fall XX-Large. Die Kabine misst beeindruckende 18 Meter in der Länge und fünf Meter in der Höhe. „Sie in die bestehende Halle exakt einzupassen, stellte unsere Ingenieure und Monteure vor eine knifflige Aufgabe“, erinnert sich Klaus Uwe Ehinger, technischer Verkaufsberater bei Wolf, „aber individuelle Lösungen für die Sitation vor Ort zu finden, gehört ja zu unseren Stärken.“
Segmentweise Schaltung
Die Art der Belüftung stellte eine besondere Herausforderung dar. „Ursprünglich hatten wir einen einfachen diagonalen Abzug geplant. Hierbei muss immer in Luftrichtung lackiert werden, was aber nicht umsetzbar war“, erklärt Klaus Uwe Ehinger „Bei der Yachtlackierung muss es möglich sein, um den Bug des Schiffes herum, also in unterschiedliche Richtungen, zu lackieren.“ Daher musste die Kabine anders belüftet werden. Die Entscheidung fiel schließlich auf eine sektionsgeschaltetes Exemplar. Somit teilt sich die Kabine in vier Segmente auf, die sich entsprechend der Position des Lackierers an- bzw. ausschalten lassen. Die Anlage wird dabei von einem Aggregat betrieben und bietet ganz wie eine Nutzfahrzeugkabine fünf Betriebsarten: Energiesparschaltung, Reinigungsschaltung, Lackieren, Ablüften und Trocknung.
Warum so eine Anlage?
Für Martin Yachten bedeutet die neue Lackieranlage einen großen Sprung nach vorne. Denn vorher wurden die Yachten in der Werfthalle beschichtet, in der sie auch aufgebaut oder restauriert wurden. Einfach alles abgedeckt und das Hallentor geöffnet. „Im Bootsbau ist das nicht unüblich, aber natürlich mit Beeinträchtigungen verbunden“, erklärt Firmenchef Josef Martin, „denn während lackiert wurde und der Lack getrocknet ist, war die Halle blockiert.“
Hoher Anspruch an die Oberfläche
Die Beschichtung der Holzboote ist arbeits- und zeitaufwendig. Zum Tränken des Holzes erfolgen die ersten sechs bis acht Anstriche Klarlack mit einer Schaumstoffwalze. Nach einem Zwischenschliff werden die abschließenden zwei bis drei Schichten gespritzt. Bei der Endlackierung wird erst vorgenebelt und nach ca. 30 Minuten Ablüftzeit findet der finale Spritzgang statt. Zum Einsatz kommt dabei eine Hochdruckpistole mit einer Düsengröße von 1,0 bis 1,6 Millimeter. „Bis zu viermal am Tag kann ohne zwischenzuschleifen lackiert werden“, erklärt Bootsbauer und Lackierer Christian Trost. „Dabei wird im Abstand von zwei Stunden lackiert.“ Am Ende entsteht eine Schichtdicke von ca. 300 bis 500 μm. Für optische Akzente sorgt bei den Holzyachten die farbig lackierte Wasserlinie. Der Aufbau setztsich aus einem farbigen 2K-System mit nachfolgender Klarlackschicht zusammen. Weitere optische Highlights können zum Beispiel durch Beschriftungen oder Zierlinien, häufig auch mit Goldlacken gesetzt werden.
Für alles gerüstet
Um den unter Wasser liegenden Teil des Schiffskörpers zu schützen, erhält dieser einen speziellen Beschichtungsaufbau: Auf das Holz kommt Epoxidharz, gefolgt von einer Glasfaser-Spachtelung. Anschließend wird VC Tar2, welches als Osmoseschutz dient, appliziert. Ein Antifouling bildet, an das entsprechende Gewässer angepasst, den Abschluss des Beschichtungsaufbaus. „Etwa 40 Stunden werden im Schnitt für den Beschichtungsaufbau, also schleifen, abdecken, säubern und lackieren, benötigt“, erklärt Lackierer Christian Trost. In der neuen Kabine können all diese Tätigkeiten nicht nur umweltfreundlich und in höherer Qualität erfolgen, auch die Kapazität hat sich deutlich erhöht. Für Martin Yachten ein wichtiges Argument, denn während man sich bislang auf Bau und Restaurierung von Holzbooten konzentriert hat, sollen künftig auch GFK-Boote restauriert und beschichtet werden. „Da wären wir ohne moderne Lackierkabine an Kapazitätsgrenzen gestoßen“, berichtet Werftinhaber Josef Martin. Jetzt ist der Bootsbaubetrieb mit der neuen Lackieranlage allerdings für alles gerüstet – sogar für Hochwasser.
Quelle: Lackiererblatt September 2022 | Larissa Sailer